Eine Kampfkunst erlernen – 7 Trainingstipps für Anfänger

Eine Kampfkunst zu erlernen ist eine Herausforderung – für Körper und Geist. Das Erlernen von technisch anspruchsvollen Bewegungen, das Einprägen von Techniken und die Entwicklung der Kraft, Koordination und Schnelligkeit die nötig sind, um diese Techniken präzise auszuführen, können für einen Anfänger überwältigend sein. Viele Schüler haben Schwierigkeiten zu erkennen, welche Einstellungen und Angewohnheiten sie zum Erfolg führen und welche nicht. Die folgenden Tipps stellen daher einen Kompass dar – eine Leitschnur, die euch in die richtige Richtung weist.

Eine Kampfkunst zu erlernen ist schwer. Hier 7 Tipps für Anfänger. Bild: Hapkido-Wurf, Vienna Hapkido Academy, Daehan Minguk Hapkido Federation.

Verantwortung für das eigene Training übernehmen

Für deinen Trainingserfolg bist letztendlich nur du selbst verantwortlich. Nicht dein Trainer, nicht deine Kollegen und auch kein Ratgeber, Podcast oder “Life-Hack”-Tool können dir die Arbeit abnehmen, die nötig ist um dich zu verbessern. Oft suchen wir nach schnellen Lösungen, nach einfacheren, weniger anstrengenden Wegen um ans Ziel zu kommen. Doch die gibt es nicht – je größer das Ziel, desto größer der Aufwand, den man hineinstecken muss. Daher versuche nicht, dich durchzumogeln, sondern übernimm radikal Verantwortung für dein Training. Nutze jede Sekunde deines Trainings um dich zu verbessern, um zu lernen und an deinen Schwächen zu arbeiten. Erfolge werden sich einstellen.

Den Alltag draußen lassen

Beim Betreten der Trainingshalle (in koreanischen Kampfkünsten: Dojang, 도장) verbeugen wir uns. Damit signalisieren wir den Eintritt in eine Sphäre, die sich außerhalb des Alltags befindet. Nun widmen wir uns dem Erlernen unserer Kampfkunst, dem “Do”. Sorgen, Nöte, Konflikte und die banalen Kleinigkeiten des Alltags lassen wir bewusst zurück. Versuche, diese Einstellung aktiv in deinem Training zu kultivieren. Du verbesserst so nicht nur deinen Trainingserfolg, sondern kreierst für dich eine kleine Oase, in der du dich vom Alltag erholen kannst.

Techniken auswendig lernen

In Kampfkünsten wie Hapkido gibt es viele Techniken und eine limitierte Zeit, diese Techniken zu üben. Ein Schüler, der einen Großteil dieser Zeit damit verbringt, sich überhaupt an die Techniken zu erinnern, kann in 15 Minuten vielleicht 2 oder 3 Techniken üben. Ein Schüler, der die Techniken alle im Kopf hat, kann in derselben Zeit sein komplettes Gürtelprogramm wiederholen und gleichzeitig noch gezielt an der technischen Verbesserung einzelner Techniken arbeiten. Techniken auswendig zu können ist eine Schlüsselkompetenz, um im Training weiterzukommen. Da die Techniken im Laufe der Zeit immer mehr werden, lohnt es sich, sie aufzuschreiben.

Regelmäßig trainieren, bewusst wiederholen

Fortschritt im Training kann nur durch regelmäßiges, bewusstes Üben erzielt werden. Voraussetzung dafür ist zuerst die regelmäßige Teilnahme am Training. Aber auch einzelne Techniken lernt man am Besten durch ausdauerndes, bewusstes Wiederholen. Bei technisch anspruchsvollen Übungen ist dabei oft ein externer Fokus von Vorteil – das heißt, der Fokus richtet sich auf etwas außerhalb des Körpers. Das könnte zum Beispiel die Blickführung bei einem Kreistritt sein. Bei Kraftübungen ist ein internaler Fokus oft von Vorteil – hierbei konzentriert man sich gezielt auf die Muskelgruppe, die gerade trainiert wird. Bei einem Liegestütz würde das bedeuten, dass man sich bewusst auf die Brustmuskulatur konzentriert, aber auch, dass man seine eigene Körperposition bewusst wahrnimmt und kontrolliert um Bewegungsfehler zu vermeiden.

Von anderen Schülern lernen

Anders als in der Schule ist “abschauen” beim Hapkido erwünscht! Lass dich von erfahreneren Schülern inspirieren, schau dir von ihnen ab, wie sie bestimmte Techniken machen, frage sie um Rat und bitte sie um Hilfe. Später kannst du deine Erfahrung an die nächste Schülergeneration weitergeben.

Spielen und ausprobieren um Neues zu Lernen

Bei allem Fleiß und aller Zielorientierung dürfen Spiel und Spaß nicht zu kurz kommen. Der Mensch lernt am besten durch Spiel1. Spiel ist frei – man spielt nicht, um von anderen beurteilt zu werden, sondern aus Freude am Spiel selbst. Spiel ist immer freiwillig und selbstbestimmt und damit macht spielen Spaß. Als Erwachsene können wir spielerisch an unser Training herangehen und somit nicht nur mehr Freude am Training haben, sondern uns paradoxerweise auch genau dadurch verbessern, dass der Fokus auf die eigene Leistung in den Hintergrund tritt. Neue Dinge kann der Mensch am besten lernen, wenn er entspannt ist – zu hoher (selbstauferlegter) Leistungsdruck ist dabei hinderlich.

Prüfungen und Turniere um Leistung abzurufen

Teilnahme an Prüfungen und Turnieren zwingen dich, deine Komfortzone zu verlassen und das Gelernte zur Anwendung zu bringen. Der Autor Robert Greene2 nennt diese Taktik “sich in die Todeszone begeben”. Das Konzept stammt aus der “Kunst des Krieges” von Sun Tsu. Demnach tendiert man dazu, schwierige und anstrengende Aufgaben nach hinten zu verschieben. Indem man sich freiwillig in die “Todeszone” begibt – eine Situation, aus der es keinen Weg zurück, sondern nur einen nach vorne gibt – wird man gezwungen, diese Aufgaben zu bewältigen. Dabei setzt man Kräfte und Ressourcen frei, die unter weniger Druck verborgen blieben. Diese Taktik steht nicht im Gegensatz zum spielerischen Lernen, sondern die beiden ergänzen sich: Phasen des prozessorientierten Lernens und Übens gehen in Phasen der Leistungsorientierung über, in denen das Gelernte angewendet wird.

Zum Abschluss…

… noch ein ein Ratschlag von Sang H. Kim, ehemaliger koreanischer Staatsmeister in Taekwondo:

Erwähnte Literatur:

1. Peter Gray: Free to Learn. Why Unleashing the Instinct to Play Will Make Our Children Happier, More Self-Reliant, and Better Students for Life. Basic Books, 2015.

2. Robert Greene: The 33 Strategies Of War. Profile Books, 2015